25. Brief – 1. August 1942

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– 25 –

Rußland, den 1.8.42

Mein liebes Frauchen!

In Anbetracht, daß wir gestern vom Hell- bis zum Dunkelwerden immer durchgefahren sind, haben wir heute Mittag schon um 2 Uhr Station gemacht. Ich sitze im Zelt und will die Gelegenheit benutzen, Dir einen Brief zu schreiben. Lang wird er ja nicht werden, aber ich werde mir Mühe geben.

Wenn man so den ganzen Tag auf Rußlands Straßen, die meistens nur von Panzern aufgewühlte Feldwege mit unendlich vielen Schlaglöchern sind, gefahren ist, ist man abends gerädert. Man ist froh, wenn man dann schnell etwas essen kann und sich zum Schlafen legt. Die Straßen sind von verendeten Pferden gesäumt. Es kommt einem manchmal der Ekel, wenn man diese von Fliegen und Würmern ausgefressenen Kadaver sieht, die außerdem einen widerlichen Geruch verbreiten.

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Es wird Dich interessieren, auch mal etwas über die Kameradschaft zu hören. Das ist ein Begriff, der überall, nur nicht in der Wehrmacht existiert. Der Kamerad ist im Krieg 1914-18 gefallen, sagt eine Redewendung. Auch auf unserem Fahrzeug ist die Kameradschaft sehr schlecht, trotzdem wir nur zu vieren sind. Die stehlen wie die Raben. Du müßtest nur mal sehen, wie die Brüder den Russen ihre letzten Hühner und Gänse vom fahrenden Auto aus abknallen. Sogar den einzigsten Kochtopf, den jeder Russenhaushalt hat, nehmen sie mit. Ich kann diese Leute manchmal nur mit Unterwelt und Wilddiebe bezeichnen. Heute kann ich manchmal verstehen, daß man die Deutschen als Barbaren bezeichnet.

Mit Schrecken habe ich gestern von einem Landser gehört, daß in der Nacht zum Montag und Mittwoch Hamburg so schwer von den Briten angegriffen wurde. In einer Nacht sollen 36 und in der anderen Nacht 45 Flugzeuge abgeschossen worden sein. Ob das stimmt, weiß ich nicht, da ich keine Gelegenheit habe, Radio zu hören oder eine Zeitung zu lesen. Mein erster Gedanke ist dann immer, hoffentlich ist Euch nichts passiert. Manchmal mache ich mir Vorwürfe, daß Du jetzt mit 2 kleinen Kindern allein bist. Aber wir haben uns unsere Kinder in einer besseren Zeit gewünscht und müssen nun eben diese traurige Zeit ertragen.

Hoffentlich fallt Ihr nicht einem Bombenangriff zum Opfer, sonst wüßte ich nicht, was ich machen würde. Wenn ich daran denke, daß das Vagabundenleben, das ich jetzt führe, eventuell noch jahrelang dauern kann, seid Ihr es, die mir im Stillen immer wieder neuen Mut einflößen. Ich habe heute mal wieder die Nase von dem verdammten Krieg gestrichen voll. Unser Weg führt immer noch südlich, wahrscheinlich kommen wir noch ans Schwarze Meer.

Wenn Du kannst, schicke mir mal 100 gr gemahlenen Bohnenkaffe, etwas Zimt und eine Tüte Pfeffer. Habe ich nicht mal außer dem Salzstreuer, auch einen Pfefferstreuer, wo oben ein Knopf zum Drücken ist, gekauft? Wenn ja, so schicke auch diesen.

Heute ist mir mein Spiegel zerbrochen. Frage doch mal Dr. Schmidt, ob er Dir einen Metallspiegel Größe ca. 8 x 10 cm zum Rasieren besorgen kann.

Für heute viele Grüße und 1000 Küsse,

Euer Vati

 


…ein einfacher Soldat berichtet seiner Familie tagesaktuell von seiner Reise durch Russland – hinein in den Kessel von Stalingrad.

Starless in Stalingrad

– 200 Tage –
– 100 Briefe –
– 1 Zeuge –

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