48. Brief – 20. September 1942

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– 7 –

Rußland, den 20.9.42

Mein liebes Frauchen!

Heute ist Sonntag, mal wieder so ein trostloser Sonntag wie alle im letzten Halbjahr. Das waren noch schöne Sonntage, als Du mich in Bremen bzw. Celle besuchen konntest. Da konnten wir uns mal sehen und unsere Gedanken austauschen.

Heute stehst Du ganz allein da und mußt so viele Arbeit machen, die Dir ungewohnt ist. Und ich sitze hier und vertrödele den Tag. Wenn mich nicht der Glaube an Dich und unsere beiden Kinder, für die wir leben müssen, aufrecht hielt, wäre mir manchmal alles egal. Das Leben, das man jetzt lebt, ist kein Leben mehr. Ein Hund, der in seine Hütte kriechen kann, hat es bestimmt besser.

Heute habe ich seit gestern Mittag Fernsprechwache, ein mehr als faules Leben. Gestern Abend setzte Regen ein, und die ganze Nacht sickerte es in den Bunker hinein. An ein bißchen Schlaf ist da nicht zu denken in den feuchten Kleidern. Was soll das nun mal erst geben, wenn die Regenperiode richtig einsetzt und danach der strenge Winter kommt? Vorerst haben wir alle die Hoffnung, daß wir zum 1. Oktober nach Frankreich kommen.

Nachts ist hier immer rege Flieger- und Artillerietätigkeit. Aber diese Knallerei kann einem den Schlaf nicht mehr rauben.

Mit Stalingrad scheint es nicht richtig vorwärts zu gehen. Teilweise sind unsere Truppen schon in der Stadt. Aber der Russe leistet erbitterten Widerstand und versucht dauernd, unsere Front zu durchstoßen. Erst gestern ist er bei unserer Fahrzeugstellung durchgebrochen, wurde allerdings zurückgeworfen.

Es wird Dir in meinem Brief Nr. 6 v. 17.9.42 aufgefallen sein, daß dem Brief 2 Päckchenmarken und 1 Luftfeldpostmarke beilagen, das stimmt mit dem Brieftext nicht ganz überein. Ich hatte den Brief schon beendet, als ein Kamerad noch eine Päckchenmarke gegen eine Luftfeldpostmarke tauschen wollte. Das habe ich natürlich direkt gemacht. Die Päckchenmarken wirst Du schon gut verwenden können.

In einem 100 gr. Päckchen kannst du mir mal Zigarettenpapier und ein paar Stopfnadeln mit großer Öse schicken, eventuell noch ein paar Nähnadeln. Das kannst du auch in einem Brief schicken. Wenn noch nicht geschehen, schicke mir auch ein Notizbuch, etwa so groß wie eine halbe Seite dieses Briefbogens.

Noch 4 Tage, und ich bin ein halbes Jahr Soldat. Dieses Jahr war die erbärmlichste Zeit meines Lebens. Man soll mir nur still sein mit dem Lied „Es ist so schön, Soldat zu sein“. Das ist nicht allein meine Einstellung, sondern so denkt jeder Landser, der in Rußland ist. Alle haben den Wunsch, möglichst schnell und gesund die Heimat wiederzusehen.

Nur gut, daß Heidi und Kai von dieser Zeit noch nichts merken. Sie werden sie später nur vom Erzählen kennenlernen. Du, mein liebes Frauchen mußt leider diese „große“ Zeit miterleben.

Heute ist Kai schon 9 Wochen alt und hat seinen Vater noch immer nicht persönlich kennengelernt. Aber hoffentlich wird dies bald der Fall sein.

Für heute sendet Euch dreien die allerherzlichsten Grüße und 1000 Küße

Euer Vati.

Ebenfalls herzliche Grüße an Deine Eltern.

Anm. d. Hg.: Ab dem 4.09.1942 (nachfolgend auf seinen 41. Brief) begann er die Nummerierung der Briefe wieder von vorne, weshalb dieser im Original die Nr. 7 trägt. Seitdem haben wir eine eigene fortlaufende Nummerierung eingeführt.

 


…ein einfacher Soldat berichtet seiner Familie tagesaktuell von seiner Reise durch Russland – hinein in den Kessel von Stalingrad.

Starless in Stalingrad

– 200 Tage –
– 100 Briefe –
– 1 Zeuge –

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