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Rußland, den 23.7.42
Mein liebes Frauchen!
Trotzdem wir den ganzen Tag keine Gelegenheit zum Schreiben hatten, will ich doch, so lange es noch hell ist, Dir einige Zeilen schreiben. Zwei Tage hast Du nun vergeblich auf Post gewartet, aber voraussichtlich wird es noch einige Tage länger dauern, da ich keine Gelegenheit habe, den Brief bei einem Feldpostamt abzugeben.
Abends haben wir immer sehr spät Quartier gemacht, da wir möglichst schnell wieder zu unserer Einheit wollen. Außerdem haben wir uns um 70 km verfahren, die wir mit aller Gewalt aufholen wollten. Verfahren ist hier kein Kunststück, da hier keine Wegweiser sind.
Dieses Gebiet war noch vor 14 Tagen im Besitz der Russen. Du machst Dir nicht die geringste Vorstellung, was es hier für Straßen gibt. Bei trockenem Wetter ist es schon sehr schwer, bei Regenwetter aussichtslos. Da es letzte Nacht stark geregnet hat, war heute ein Weiterfahren unmöglich. Der Schlamm ist teilweise 1 m hoch. Viele Autos sind im Schlamm stecken geblieben. Wir haben uns bis zum nächsten Dorf mit Schieben und Unterlegen von Reisig durchgearbeitet.
Da unsere Verpflegung alle war und die nächste deutsche Dienststelle noch ca. 50 km entfernt ist, haben wir uns unser Essen, bestehend aus Milch und Eiern, selbst organisiert. Am besten hat nach 1 Stunde Euer Papi abgeschnitten, der 35 Eier ohne Geld organisiert hat. Milch hatte ich auch genügend.
Wir sind die einzigsten deutschen Soldaten hier, aber dafür wimmelt es von Ungarn. Gestern hatte ich ein kleines Erlebnis Ich wollte zum Sch… und schlug mich seitwärts in die Büsche. Ich mußte zu diesem Zweck über einen Graben setzen und geriet dabei in einen Sumpf und sank bis Brusthöhe ein. Das Gelächter meiner Kameraden, die ich um Hilfe rief, kannst Du Dir vorstellen. Ich selbst musste aber auch lachen. Es war eine Menge Arbeit, bis ich meine Klamotten wieder sauber und trocken hatte.
Den Brief vom 20.7.42 vergaß ich zu numerieren. Gib ihm die Nr. 17.
Hoffentlich regnet es heute Nacht nicht, damit wir morgen weiterfahren können., desto schneller sind wir wieder bei unserer Einheit. Da hoffe ich, dann endlich Post zu bekommen. Das Ungewisse ist schrecklich.
Wie ist es eigentlich mit Puddingpulver? Wenn man das ohne Marken kriegt, kannst Du mir mal welches schicken, alle Woche mal 1 Päckchen und Sacharin wirst Du schon abgeschickt haben. Zucker kriegen wir leider keinen.
Hier haben wir wenigstens keine Fliegerangriffe. In K. hatten wir tolle Nächte hinter uns. Nachts saßen wir in den Deckungslöchern die meiste Zeit. Es ist verdammt unangenehm, wenn man die Bomben so zischen und detonieren hört. So etwas habe ich in Hamburg noch nicht gehört.
Und nun werde ich schließen, man kann nämlich kaum noch sehen. Hoffentlich weiß ich bald, ob Du einem Jungen oder einem Mädel das Leben geschenkt hast.
Heute vor 4 Monaten war ich noch Zivilist. Ich denke noch daran, wie wir abends zusammensaßen. Diese 4 Monate haben mir schon ein paar graue Haare gebracht. Aber erschrecke nicht, es sind nur ein paar und sie sind noch zu zählen.
Grüße und küsse meine kleine Heidi und den unbekannten Dritten recht herzlich von mir. Dir ebenfalls die allerherzlichsten Grüße und 1000 Küsse,
Euer Vati
Viele Grüße an Deine Eltern.
…ein einfacher Soldat berichtet seiner Familie tagesaktuell von seiner Reise durch Russland – hinein in den Kessel von Stalingrad.
Starless in Stalingrad
– 200 Tage –
– 100 Briefe –
– 1 Zeuge –
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Großartiges Projekt und interessante Einblicke! Danke fürs veröffentlichen der Briefe!
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