45. Brief (1. Teil) – 11. September 1942

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(1. Teil)

Rußland, den 11.9.42

Mein liebes Frauchen!

Gestern abend erhielt ich außer Zeitungen die beiliegenden Briefe. 2 waren noch aus uralter Zeit dabei. Jetzt habe ich Gewißheit, daß das Päckchen mit den Wintersachen angekommen ist. Ich hatte schon immer gedacht, daß es abhanden gekommen sei.

Ein Brief datiert vom 13.7.42. Ich muß es Dir hoch anrechnen, daß Du einen Tag nach der Niederkunft es fertig gebracht hast, mir einen Brief zu schreiben. Leider ist der Brief nur zu lange unterwegs gewesen. Aber trotzdem danke ich Dir herzlich dafür.

Die Daten vom Gewicht, Größe usw. schicke ich Dir auch zurück. Hebe sie gut auf. Du weißt, daß ich alles gerne festhalten will. Ich werde für Kai auch so eine kleine Chronik später mal anlegen.

Du schriebst, daß Kai so kräftige Jungsfäuste und Speckfalten hat. Du glaubst garnicht, wie gerne ich den Bengel mal sehen möchte.

Daß Du zu Fuß zur Klinik gegangen bist, war ja nun wirklich nicht nötig. Du bist scheinbar sparsamer als ich.

Jetzt habe ich schon den 2. Brief mit der Nr. 37.

Schicke mir bitte keine Schokolade mehr. Füttere damit unsere beiden Sprößlinge, denen schmeckt sie bestimmt besser. Wenn Du mir immer welche schickst, ist sie zu schnell alle. Wer weiß, wann Du mal wieder welche bekommst. Also bitte keine mehr schicken. Höchstens welche von Deiner Mutter, Schokolade aus Kowno kenne ich und schicke sie wieder um.

Wenn Dir der Kacheltisch von Dr. Schmidt und die Sessel gut gefallen, sieh doch mal zu, daß Du Dr. Schmidt überreden kannst, sie Dir zu verkaufen.

Bobbys Brief habe ich gelesen. Der schreibt so, als hätte er mit dem Leben abgeschlossen und würde die Heimat nicht wiedersehen. Die Infanterie hat ja hier im Osten allerlei an Märschen zu leisten. Aber solche Gedanken kommen mir nicht. Ich habe die feste Überzeugung, daß ich wiederkommen werde.

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Nach dem Krieg will ich von Rußland und dem verdammten Kommiß nichts mehr wissen. Nur schade, daß unser Kai auch mal Soldat werden muß. Hoffentlich ist in 20 Jahren die Welt etwas friedlicher.

Jetzt wird Toni sicher auch in Rußland sein. Ich wundere mich nur, daß sie ihn trotz seiner Plattfüsse k. v. geschrieben haben. Aber wir brauchen Kanonenfutter. Körperliche Fehler spielen keine Rolle mehr.

Franzl ist ja jetzt auch im Osten. Als er seinen Kartenbrief schrieb, war ich schon etwas weiter als über den Don. Er ist vielleicht in unserer Nähe und man weiß es nicht.

Von Günther bekam ich auch eine Karte. Der und sein Bruder sollen sich freuen, daß sie nicht mehr eingezogen werden. Ich möchte lieber Granaten in der Heimat drehen, als hier das Zigeunerleben in Rußland weiterführen.

Von Deinen Eltern bekam ich auch dieser Tage den beiliegenden Brief. Ich werde ihnen in den nächsten Tagen wieder schreiben. Für deinen Vater habe ich wieder eine Menge Zigarren. Onkel Anton und Agi haben mir die beiliegende Post gesandt. Agi scheint ja auch noch vom Glück begünstigt zu sein.

Vor ein paar Tagen war ich 2 Tage in der Feuerstellung unserer Batterie zum Löhnen. Da habe ich mal den Krieg in der richtigen Form gesehen. Auf der Hinfahrt mußten wir über eine Straße, die vom Feind eingesehen werden konnte. Sofort wurden wir mit Granaten beschossen. In einem Höllentempo sind wir dann über die Straße geflitzt. Uns ist nichts passiert.

Ich kann nichts mehr sehen. Es wird dunkel. Heute nacht habe ich Wache. Morgen schreibe ich weiter.

Gute Nacht.

Euer Vati!

Anm. d. Hg.: Ab dem 4.09.1942 (nachfolgend auf seinen 41. Brief) begann er die Nummerierung der Briefe wieder von vorne, weshalb dieser im Original die Nr. 4 trägt. Seitdem haben wir eine eigene fortlaufende Nummerierung eingeführt.

 


…ein einfacher Soldat berichtet seiner Familie tagesaktuell von seiner Reise durch Russland – hinein in den Kessel von Stalingrad.

Starless in Stalingrad

– 200 Tage –
– 100 Briefe –
– 1 Zeuge –

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