54. Brief – 1. Oktober 1942

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– 12 –

Rußland, den 1.10.42

Mein liebes Frauchen!

Es wird Dir auffallen, daß ich jetzt sehr viel schreibe. Als Fernsprecher hat man eine Unmenge Zeit, nur hat man nicht viel Stoff zum Schreiben. Deshalb teile ich dir immer alles so mit, was mir in den Sinn kommt. Ich kann mir vorstellen, daß Dich nicht immer alles interessiert. Aber das mußt Du nun mal in Kauf nehmen.

Vorgestern habe ich 2 Päckchen an Dich abgesandt. Sie enthielten Sachen, die ich nicht mehr brauche. Es waren Nr. 4718 und 4719. Bestätige mir gelegentlich den Empfang. Ich habe noch mehrere Sachen, die ich Dir schicken werde, aber es fehlt mir an Verpackungsmaterial.

Wie ich Dir in meinem letzten Brief schon mitteilte, will ich Dir jetzt schreiben, was Du alles für Abmeldungen vornehmen mußt, wenn Du mit den Kindern zu Familie Timme ziehen solltest. Vorerst mußt Du Dich mal polizeilich abmelden. Da holst Du Dir ein pol. Abmeldeformular in einem Schreibwarengeschäft und fülle den Vordruck für Euch 3 aus. Solltest Du damit nicht zurecht kommen, so bittest Du die Beamten auf dem Polizeirevier, das für Dich zu tun. Wenn Du zum Polizeirevier gehst, mußt Du unseren Meldeschein mitnehmen. Diesen findest Du in der „Personalakte“ vorne in dem Briefumschlag. Achte aber darauf, daß Du unseren Meldeschein wieder bekommst. Auf der Abmeldung mußt Du vermerken „Nur vorübergehend von Hamburg abwesend“. Bevor Du nach Salzmoor abreist, kaufe Dir in Hamburg auch einen pol. Abmeldevordruck, da Du einen solchen in Salzmoor sicherlich nicht bekommen wirst. Dann mußt Du Dich auf dem Ernährungsamt abmelden. Da mußt Du alle Karten mitnehmen. Hole aber vorher alles, was Du auf den Karten schon haben kannst. Den Rest läßt Du Dir in Reisemarken umtauschen. Auf dem Postamt holst Du Dir einen Nachsendeantrag und füllst diesen aus und rin in den nächsten Briefkasten. Wenn Du abreist, so nehme

– alle Scheckhefte,
– Deine Kennkarte

und alles das, was Du für die Kinder und Dich brauchst, mit. Das weißt Du ja am besten selbst. Sollte mal irgendein Scheckheft oder das Kontogegenbuch voll sein, so schreibst Du an die Reichsbank und bittest um Übersendung des betreffenden Vordrucks. Am Kopf des Schreibens mußt Du schreiben: Gehaltskonto 2/99xx Rbk.-Insp. Max Breuer.

Vor Deiner Abreise teilst Du der Reichsbank Pers.-Abtlg. mit, daß bis auf weiteres Deine Anschrift lautet:

Frau Anneliese Breuer
Salzmoor b/ Bergen
Celle-Land (Hannover
bei Fam. Heinr. Timme.

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Ich schreibe ja nun schon so, als wenn alles perfekt wäre, daß Du nach Salzmoor fährst. So wie ich Dich beurteile, paßt Dir das nicht. Aber das ist Deine Unschlüssigkeit. Du fühlst dich am wohlsten in der Wohnung. Erst beim nächsten größeren Angriff auf Hamburg wirst Du einsehen, daß Ihr doch besser Hamburg verlassen hättet.

In erster Linie mußt Du an unsere Kinder denken, die Ruhe und gute Verpflegung haben müssen. Gute Verpflegung haben sie ja auch so, aber ich glaube, daß auf dem Hof Timme Dir Butter, Eier, Milch, Fleisch und Speck im Überfluß zur Verfügung stehen werden. Kamerad Hornbostel erzählte mir, daß es bei diesen Leuten keine Nahrungsmittelsorgen gäbe. Und es soll ein Bauernhof sein, der sich durch besondere Sauberkeit auszeichnet. Für Heidi wird auch sehr interessant sein, mit dem Vieh zu spielen. Hühner haben die Leute sehr viel.

Also Frauchen, die Gelegenheit ist günstig. Du mußt nur für längere Zeit auf Hamburg verzichten, hast dafür aber Deine Ruhe und ich bin auch beruhigter. Letzten Endes ist Salzmoor ja auch nicht so weit von Hamburg entfernt. Deine Eltern können Dich dort immer mal sonntags und montags besuchen. Es ist ja günstig, daß Deine Eltern montags geschossen haben. Deine Eltern werden bestimmt alle 14 Tage angetrudelt kommen, da die Sehnsucht zu ihren Enkelkindern sie dahin treiben wird. Also hoffentlich bekomme ich bald einen Luftfeldpostbrief, in dem du mir Deine neue Anschrift mitteilst.

Jetzt erzählt man hier, daß wir am 15. Oktober 42 durch eine andere Armee abgelöst werden und herausgezogen werden sollen. Aber wohin, das ist die große Frage. Weiter nach dem Süden oder nach Frankreich. Nur nicht nach dem mittleren Abschnitt, wo zurzeit dauernde Abwehrkämpfe sind. Ich habe noch immer nicht die Hoffnung fahren lassen, daß wir nach dem Westen kommen, da der Engländer mit aller Gewalt eine 2. Front errichten will. Vielleicht kommen wir zum Küstenschutz dorthin. Hoffen wir das Beste.

Und nun weiß ich nichts mehr. Hoffentlich habe ich morgen wieder Stoff zum Schreiben.

Dir, Heidi und Kai die allerherzlichsten Grüße und 1000 Küsse von

Eurem Vati.

Anm. d. Hg.: Ab dem 4.09.1942 (nachfolgend auf seinen 41. Brief) begann er die Nummerierung der Briefe wieder von vorne, weshalb dieser im Original die Nr. 12 trägt. Seitdem haben wir eine eigene fortlaufende Nummerierung eingeführt.

 


…ein einfacher Soldat berichtet seiner Familie tagesaktuell von seiner Reise durch Russland – hinein in den Kessel von Stalingrad.

Starless in Stalingrad

– 200 Tage –
– 100 Briefe –
– 1 Zeuge –

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