58. Brief – 7. Oktober 1942

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– 16 –

Rußland, den 7.10.42

Mein liebes Frauchen!

Heute habe ich 2 Päckchen erhalten. Eins hatte die Nr. 50 (Makronen) und dem anderen lag kein Zettel bei. Letzteres enthielt 60 Russenzigaretten. Für beides meinen herzlichen Dank.

Die Päckchen kommen hier immer in einem vollkommen zerstörten Zustand. Tapetenpapier darfst Du nicht mehr verwenden, das zerreißt zu schnell. Du mußt mal sehen, daß Du Dir etwas Packpapier organisierst. Für die kleinen Päckchen sind ja die kleinen Kartons am besten. Diese kannst Du doch in jedem Schreibwarengeschäft, bei Woolworth bestimmt, bekommen.

Dann mußt Du noch sehen, daß Du von den grauen Klebestreifen oder –marken bekommst. Die bekommst Du in dem Schreibwarengeschäft gegenüber dem Fremdenblatt (Große Bleichen) oder in dem Schreibwarengeschäft in den Colonnaden auf der rechten Seite, wenn man vom Jungfernstieg kommt, gleich hinter der ersten Querstraße (Gr. Theaterstr. (?)). Vielleicht kann Herr Schade Dir die Sachen mitbringen. Mit den Klebestreifen kannst Du die Päckchen fabelhaft zukleben. Frau Schramm schickt immer die Päckchen so und sie kommen auch heil an.

Heute habe ich auch von Frau Hartwig Post bekommen. Den Brief werde ich Dir das nächste Mal beilegen, da ich ihn erst beantworten will und auch gleichzeitig noch an Ernst Hartwig schreiben will. Frau Hartwig hat mir ein kleines Buch geschickt, das ich lesen und Dir dann schicken werde.

Da jetzt keine Zeitungen mehr kommen, vermute ich, daß Du das Fremdenblatt abbestellt hast. Tue das nicht, da Du es sonst später nicht mehr bekommst. Zudem möchte ich auch die Zeitung lesen. Schreibe an das Fremdenblatt, daß sie Dir das immer nachsenden. Wenn Du die Zeitungen gelesen hast, schicke sie mir. Wenn Du nach Salzmoor ziehen solltest, lasse Dir das Fremdenblatt auch dorthin nachsenden. Die Gebühr kannst Du ja monatlich überweisen. Die Postschecknummer steht irgendwo am Kopf der Zeitung.

Dann kaufe dir wöchentlich die Zeitung „Das Reich“ und „Das schwarze Korps“. Die erstere Zeitung interessiert ja auch Dich. Wenn Du die Zeitungen gelesen hast, schicke sie mir bitte. Du mußt nur sehen, daß Du die Streifbänder hast. Die kannst Du dann wieder mit den grauen Klebestreifen zukleben.

Die Luftfeldpostmarken scheinst du ja sehr gut eingemacht zu haben, da ich nie einen Luftfeldpostbrief erhalte. Die Luftfeldpost geht zurzeit sehr schnell, da wir schon sehr lange an unserem Einsatzort sind. Heute, am 7.10.42, kamen schon Briefe an, die erst am 1.10.42 abgesandt waren. Du mußt nur darauf achten, daß die Briefe nicht über 10 gr schwer sind. Und dann ein rotes Kreuz auf dem Umschlag machen und Luftfeldpost drauf schreiben. Du mußt dann eben sehr klein schreiben, damit Du viel auf einem Bogen bekommst. Vielleicht kannst Du Dir mal leichtes Luftpostpapier beschaffen. Eventuell von Dr. Schmidt, der ja alles beschaffen kann.

Brief58-Original-neu-Fam-Foto2_Starless-in-Stalingrad-Dokumentarisches-LaborWir haben uns jetzt hier einen fabelhaften Bunker aus Munitionshülsen gebaut, unser Eßzimmer ist da garnichts gegen. In der Mitte des Bunkers habe ich das Bild von Euch Dreien aufgehängt, wo Du auf der Couch sitzt und Kai im Arm hast und Heidi mit dem Finger in der Speiseröhre daneben steht. Jetzt kann es ruhig mal regnen und stürmen, wir sitzen im Trocknen.

Daß ich als Fernsprecher viel Zeit habe, merkst du ja schon an den vielen Briefen, die ich jetzt schreibe. Wenn ich genügend Stoff zum Schreiben hätte, würdest Du jeden Tag einen Brief bekommen.

Leider ist das Päckchen mit Sacharin noch nicht angekommen. Hoffentlich ist es nicht auf dem Postwege oder infolge schlechter Verpackung verloren gegangen. Ich hatte vor, morgen Dr. Schmidt mal zu schreiben. Bei dieser Gelegenheit werde ich dann mal auf den Busch klopfen wegen Sacharin.

Und dann muß ich es immer wieder wiederholen. Teile mir immer möglichst viel von unseren Kindern mit. Jede kleine Ungezogenheit interessiert mich. Ich freue mich immer, daß Kai einen so guten Appetit hat.

Diesen Brief habe ich im Bunker bei Kerzenlicht geschrieben. Ich habe keine Lust, ihn auf Fehler noch mal durchzulesen. Du wirst auch so daraus schlau. Gleich werde ich grunzen.

Und nun seid recht herzlich gegrüßt und 1000 mal geküsst

von Eurem Vati

Diese Feldpostbriefe sind sehr praktisch, wenn Du noch mal solche bekommen kannst, schicke sie mir. Da kann man wenigstens viel schreiben und da legst Du doch großen Wert drauf.

Euer Vati

Brief58-neu-Original_Starless-in-Stalingrad-Dokumentarisches-Labor Kopie

Anm. d. Hg.: Ab dem 4.09.1942 (nachfolgend auf seinen 41. Brief) begann er die Nummerierung der Briefe wieder von vorne, weshalb dieser im Original die Nr. 16 trägt. Seitdem haben wir eine eigene fortlaufende Nummerierung eingeführt.

 


…ein einfacher Soldat berichtet seiner Familie tagesaktuell von seiner Reise durch Russland – hinein in den Kessel von Stalingrad.

Starless in Stalingrad

– 200 Tage –
– 100 Briefe –
– 1 Zeuge –

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