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Rußland, den 12.11.42
Mein liebes gutes Frauchen!
Gestern habe ich viel Post erhalten. Es waren Briefe Nr. 7 vom 13.10.42, Nr. 8 vom 18.10.42, Brief von Familie Schade, Brief von der Wiener Feuerzeugzentrale und Päckchen Nr. 3 vom 8.10.42.
Das von der Wiener Feuerzeugzentrale angekündigte Feuerzeug habe ich noch nicht erhalten. Ich bitte Dich aber trotzdem, die RM 1,50 sofort unter Vorzeigung des Briefes zu bezahlen. Eventuell kann Herr Schade dort mal vorbeigehen oder du zahlst den Betrag mit beiliegender Zahlkarte bei der Post ein, macht Porto 0,10 RM. Den Brief von Frau Schade füge ich Dir bei, ich werde ihn zu Weihnachten beantworten. Das Päckchen Nr. 3 mit den Esbit-Tabletten kann ich gut gebrauchen. Nur schade, daß da eine Zulassung Marke für draufgegangen ist.
Es ist wirklich Unsinn, daß Du Dir wegen mir immer solche Sorgen machst. Deine Eltern schrieben mir dies schon im letzten Brief. Ich bin zwar des Öfteren in unserer Feuerstellung, aber die liegt immerhin sechs Kilometer hinter der Front, vor uns sind die Infanterie, Pioniere und Panzerverbände. Es muß da schon großes Pech sein, wenn einem da etwas zustoßen sollte.
Das einzige Unangenehme ist, daß man ein Leben schlimmer als ein Zigeuner führt. Im Sommer konnten wir in Zelten schlafen, jetzt haben wir uns Bunker in die Erde gebaut. Es ist überall ein Ofen drin und läßt sich das Leben einigermaßen ertragen.
Die langen Winterabende sind gräßlich. Da jetzt die Zeit um eine Stunde zurückgestellt ist, ist es auch früher dunkel. Mittags um 1/2 3:00 Uhr ist es hier schon stockfinstere Nacht. Dann sitzt man mit den Kameraden bei Kerzenlicht im Bunker und vertreibt sich die Zeit mit Skat oder Briefeschreiben. Wenn man dann noch genügend Zigaretten hat, qualmt man wie ein Schlot.
Mit Rauchwaren hast du mich in letzter Zeit nicht gut versorgt. Es müssen doch noch eine Menge von den Russenzigaretten dort sein. Inzwischen bin ich auch dazu übergegangen, Zigarren und Pfeife zu rauchen. Das ist Dir doch besonders sympathisch. Ich kann deshalb Deinem Vater keine Zigarren mehr schicken.
Morgen bekommen wir jeder eine Menge Marketenderwaren: 100 Zigaretten, 10 Zigarren, eine Flasche Wein und vielleicht auch Schokolade. Bohnenkaffee haben wir diesertage auch bekommen.
Die Verpflegung ist an der Front nicht schlecht. Es fehlt nur die Abwechslung. Jeden Tag Eintopf kann einen auf die Dauer nicht befriedigen. Deshalb freut man sich über jedes Päckchen, dann kann man auch mal etwas außer der Reihe essen. Schmalz wird ja jetzt sicher an mich unterwegs sein. Schicke mir auch noch mal etwas gemahlenen Pfeffer.
In meinem letzten Brief hatte ich deinen Eltern einen Brief angekündigt. Das ist noch nicht geschehen, morgen wird das Versäumte nachgeholt.
Mit unserer Herausziehung ist es Essig, wir haben uns damit abgefunden, daß wir den Winter über hier bleiben müssen.
Daß deine Eltern eine Cousine von Dir eingeladen haben und diese zeitweise bei uns schlafen wird, dagegen habe ich nichts einzuwenden. Aber in meinem Bett darf kein Besuch, außer deinen Eltern, schlafen.
Unsere Batterie hat zurzeit viele Ausfälle an Erkrankungen. Viele haben hier schon die Gelbsucht und sind ins Lazarett gekommen. So gerne ließ ich mich auch mal von dieser Krankheit beglücken. Heute sind drei Kameraden nach Bremen gekommen, Afrikacorps. Da wäre ich auch schon gerne mitgegangen.
Gestern habe ich mein Holzlineal mit einigen Zeitschriften an Dich abgesandt, Nr. 4723.
Und nun ist mein Wissen restlos erschöpft. Grüße und küsse unserer beiden Sprößlinge recht herzlich von mir. Dir ebenfalls recht herzliche Grüße und 1000 Küße
Euer Vati
Anm. d. Hg.: Ab dem 4.09.1942 (nachfolgend auf seinen 41. Brief) begann er die Nummerierung der Briefe wieder von vorne, Deshalb trägt dieser im Original die Nr. 30. Seitdem haben wir eine eigene fortlaufende Nummerierung eingeführt.
…ein einfacher Soldat berichtet seiner Familie tagesaktuell von seiner Reise durch Russland – hinein in den Kessel von Stalingrad.
Starless in Stalingrad
– 200 Tage –
– 100 Briefe –
– 1 Zeuge –
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