84. Brief – 23. Dezember 1942

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– 42 –

Rußland, den 23.12.42

Mein fernes Lieb!

Einmal werden wir noch wach, heissa dann ist Weihnachtstag. Je näher der Heilige Abend kommt, desto mieser wird die Stimmung. Aber so geht es nicht nur mir, so geht es den meisten Kameraden. Morgen bekommen wir jeder 100 Zigaretten, ¼ Fl. Schnaps und zehn Zigarren als Weihnachtsgeschenk der Batterie. Über ein Brot würde ich mich mehr freuen.

Ich bin froh, wenn wir den 2. Januar haben und die Festtage vorbei sind. Gerade diese Feiertage empfindet man so sehr, wenn man nicht bei seiner Familie sein kann. Aber im Leben geht alles vorüber, so auch diese Tage. Morgen Abend bin ich in jeder Minute bei Euch in Gedanken.

Seit einigen Tagen habe ich kranke Beine. Was es ist, weiß ich selbst nicht. In den Abendstunden habe ich in den Beinknochen vom Fuß bis unters Knie ein Gefühl, als wenn ich Blei daran hätte. Außerdem habe ich dann von Zeit zu Zeit ein wahnsinniges Reißen in den Beinen. Am anderen Morgen ist es dann wieder verschwunden, nachdem es die ganze Nacht über angehalten hat.

Das Schlimmste ist nur, daß man die Nächte über wach liegt und nicht zum Einschlafen kommt. Vielleicht kannst Du mir gelegentlich mal einige Tabletten gegen Schlaflosigkeit schicken.

Dann habe ich noch eine Bitte. Um mein Hemd nicht zu beschmutzen, ziehe ich unter dem Hemd immer meine schwarze Turnhose an. Diese ist allmählich völlig zerfetzt und unbrauchbar geworden. Könntest Du mir vielleicht eine Turnhose aus schwarzem Leinen machen lassen, wo vorne ein Schlitz zum Pinkeln drin ist. Achte darauf, daß ich ein Gummiband durchziehen kann, Gummiband habe ich noch von der alten Turnhose. Laße mir die Turnhosehose aber nicht so groß machen, mein Ärschchen kennst Du ja.

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Wahrscheinlich werden wir morgen oder übermorgen Post bekommen. Aber nur Briefpost und keine Päckchen. Päckchen werden mit der JU nicht befördert. Diese werden wir erst bekommen, wenn wieder normale Post geht.

Im Wehrmachtsbericht hört man immer von heftigen Kämpfen an Don und Wolga. Von unserer Einkesselung hat man noch nichts bekannt gegeben. Verfolge mal immer weiter den Wehrmachtsbericht. Eines Tages wirst Du doch etwas zwischen den Zeilen heraushören können.

Und nun, mein Schatz, mein Wissen ist erschöpft. Wenn Morgen Post kommt, kriegst außer der Reihe sofort einen Brief.

Heute am Vorabend von Weihnachten grüße und küsse ich Euch alle auf das herzlichste.

Euer Vati

Anm. d. Hg.: Ab dem 4.09.1942 (nachfolgend auf seinen 41. Brief) begann er die Nummerierung der Briefe wieder von vorne, Deshalb trägt dieser im Original die Nr. 42. Seitdem haben wir eine eigene fortlaufende Nummerierung eingeführt.

 


…ein einfacher Soldat berichtet seiner Familie tagesaktuell von seiner Reise durch Russland – hinein in den Kessel von Stalingrad.

Starless in Stalingrad

– 200 Tage –
– 100 Briefe –
– 1 Zeuge –

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